before & after bis hin zu was Fotografie kostet

Apps die mit before & after Fotos suggerieren, dass maue Fotos mit einem Klick in Top-Fotos verwandelt werden können gibt es wie Sand am Meer – aber ist das wirklich so einfach?

Naja, ganz so simple geht das meist nicht. Der direkte und indirekte Aufwand um „gute“ Fotos (ok, „gut“ ist subjektiv) zu produzieren wird oft unterschätzt.

Schauen wir uns das folgende before-after-Foto an.

Klick mit Kamera, dann Klick auf Automatikkorrektur in der digitalen Entwicklung, fertig, oder?

Nein ganz und gar nicht!

Fotografie

Noch vor dem ersten Klick, sollte der Fotograf wissen was er produzieren möchte, wie er die Szene bezüglich Belichtung, Stimmung und Aussage umsetzen möchte. Dann, was er überhaupt aus der Szene vor seiner Nase mit seiner spezifischen Hardware (Kamera, Objektiv) herausholen kann. Nicht alles was er möchte ist mit seiner Hardware umsetzbar. Diese Überlegungen müssen je nach Situation auch mal blitzschnell gehen. Damit das funktioniert, benötigt er viel Wissen, das er sich in unzähligen Stunden an Ausbildung und Praxiseinsatz angeeignet und durch viele Wiederholungen so gespeichert hat, dass er es sofort und unmittelbar abrufen kann.

Beispielfoto Ringmauer und Eiche auf Castelfeder

Was will ich

Für das Beispielfoto sind mir folgende Gedanken durch den Kopf geschossen. Ich wollte ein goldiges, herbstliches Bild, der Ringmauer und der Eiche (vor allem der Blätter), in dem Sonne, Wärme eine wichtige Rolle spielt. Es sollte aber kein markiger Sonnenstern zu sehen sein, sondern eine Sonne im weichen Licht. Anna die vor mir spazierte, sollte dem Bild etwas Dynamik verleihen, aber sie sollte obwohl sie sich mittendrin befand nicht Hauptmotiv sein. Es ging um die Ringmauer und die Eiche. Beide waren mir wichtig. Die Fotografie musste schnell gehen, das Foto musste während des Gehens ohne Anhalten entstehen, sodass die Wanderer hinter mir nicht anhalten mussten.

Vorüberlegungen

Die Mauer links war dunkel, sehr dunkel. Der Himmel war hell. Der Unterschied zwischen Dunkel und Hell war gewaltig. Der große Dynamikumfang der Szene war schnell als anspruchsvollster Punkt für mein Vorhaben ausgemacht. Um sowohl die dunklen als auch die ganz hellen Bereiche noch mit Zeichnung ins Bild einfangen zu können wäre wahrscheinlich mit den meisten Kameras eine Belichtungsreihe angebracht gewesen. Aber ich hatte eine Nikon mit Kleinbildformat-Sensor dabei. Eine Kamera die in Punkto Dynamikumfang und Rauschverhalten Maßstäbe setzt. Ich wusste, die schafft das, auch ohne Belichtungsreihe. Mit extremer, direkter Sonne hätte es nicht geklappt, aber da die Sonne mit halbtransparenten Schleierwolken etwas weich war, wusste ich es kann funktionieren.

Einstellungen

Ich stellte also auf Single-Shot, fokussierte auf einen Stein in der Ringmauer und machte die Blende im A-Modus (Zeitautomatik) weit auf, der weichen Sonne und der gewünschten reduzierten Schärfentiefe wegen. Das angebrachte Objektiv konnte bis Blende 1.4. Ich entschied mich für Blende 2, da ich wusste, dass es bei maximaler Blendenöffnung, Schärfe-Schwächen hat, die mit etwas Abblenden zu beseitigen sind. Die ISO lies ich auf Automatik. Ich wusste, bei der vorherrschenden Gegenlichtsituation und Blende 2 ist ISO und Verschlusszeit kein Thema. Die Kamera wird ISO tief ansetzten und die Verschlusszeit sehr sehr kurz wählen. Ich wusste auch, die Belichtungsmessung – ich hatte wie fast immer Integralmessung eingestellt – wird in Bezug zur Menge an dunklen und hellen Bereichen in der Szene und in Bezug zu meiner Vorstellung ein zu helles Bild produzieren. Darum habe ich die Belichtungskorrektur ein wenig in den negativen Bereich geschoben. Das alles im Vorfeld ohne durch den Sucher zu schauen.

Der Punkt Kenntnisse über die eigene Hardware war wichtig. Die Ringmauer sollte ein Hauptmotiv sein, aber sie war dunkel und mit negativer Belichtungskorrektur wird sie im Endeffekt gewaltig unterbelichtet werden. Aber naja, Nikon mit großem Sensor, das heißt ich kann in der Postproduktion die Schatten aufhellen, ohne allzu viel Rauschen zu riskieren. Vor allem weil die ISO tief, sehr tief liegt. Natürlich hat das sein Grenzen, man muss seine Hardware kennen und einschätzen (z.B. mit dem Histogramm) wie viel man unterbelichten kann.

Ich schaute während des Gehens durch den Sucher. Um die Bildkomposition kümmerte ich mich nur grob. Warum? Zu wenig Zeit, während des Gehens Stolpergefahr, Wanderer hinter mit die nicht stehen bleiben wollten und ich kenne meine Hardware. 45 Megapixel, da bleibt in der Postproduktion für die Bildkomposition, sprich dem Bildschnitt, Spielraum ohne Ende!

Was mir beim Blick durch den Sucher auffiel. Die Sonne stand nicht an der Stelle, wo ich sie haben wollte. Blöd. Kann sein, dass ich in der Bildbearbeitung die Sonne etwas anders positionieren will. Für mich war damit klar, dass ich die Belichtung noch einen Tick weiter in den negativen Bereich schieben musste. Ich wollte sicher gehen in den Lichtern genug Reserven haben zu haben. Ein harter Schatten, von der Ringmauer produziert, lag am Boden. Sehr blöd, das wird in der Bildbearbeitung beim Repositionieren der Sonne, die größten Probleme machen. Ja auch sowas floss in die Überlegungen mit ein. Aber keine Zeit und auch keine Möglichkeit das Problem zu lösen, ich wusste da muss ich später in der Postproduktion wohl oder übel durch.

Fotografieren

Anna ging vor mir. „Anna jetzt sind wir fast da, magst du nicht hinauflaufen?“ Anna rannte, kapierte plötzlich, dass ich fotografieren wollte und drehte sich und winkte. Sch…, das passte mir gar nicht. Ich nahm den Fotoapparat runter und suggeriere, dass ich fertig fotografiert hatte. Anna lief wieder los. Flugs riss ich den Fotoapparat wieder rauf. Zwei Klicks (sicher ist sicher) und dann ein Blick auf das Histogramm. Ziemlich deutlicher Anschlag links, in den Tiefen, aber nicht an der „Bergspitze“, sondern am ansteigenden Hang und ein nur knapper Anschlag rechts in den Lichtern. Ok. Ich wusste die entsprechenden Reserven in den Tiefen und Höhen werden in der RAW Datei drinstecken.

Der ganze Fotovorgang hat sich vom ersten Gedanken bis zum Kontrollblick aufs Histogramm innerhalb von circa 5-6 Schritten, während des Gehens auf einem Steig, abgespielt. Also ein Zeiteinsatz von Sekunden.

Aber Achtung ein Profi-Fotograf muss natürlich alles kalkulieren: Kommunikation, Anfahrt, Abschreibung seiner Hardware, seine gesamten vergangenen Zeiteinsatz in Ausbildung und Wissensaneignung (weitaus größter Posten, viel größer als Hardware!) und auch dass er finanziell seinen gewünschten Lebensstandard erreichen möchte.

Bildbearbeitung

Die RAW Datei ist auf dem PC übertragen. Der RAW-Konverter gestartet. Das Foto schaut wie erwartet „mau“ aus. Zu dunkel, keine Sonne, wenig Herbststimmung, nichts von alledem was ich wollte ist zu sehen. Und es entspricht auch nicht meiner Erinnerung. Aber aufgrund meiner Erfahrung habe ich es mir genauso erwartet.

Ein spaßhalber Klick auf die Automatikkorrektur zaubert etwas Helligkeit ins Bild. Schaut das Foto nun so aus wie ich es in natura in Erinnerung habe? Schaut es so aus, wie ich es wollte? Bei weitem nicht! Beides passt nicht.

Automatik

Ok, der Klick auf die Automatikkorrektur war nur ein Klick der Neugierde wegen. Ich mache alles rückgängig und beginne manuell mit den Grundeinstellungen (Temperatur, Lichter, Tiefen, Weiß, Schwarz, Dunst, Dynamik), dann Fein-Justage mittels Gradationskurve, eine Vignette und zum Schluss auf dem Wanderpfad ein Radial-Filter, für die Blätter, der Kante des Stammes und ein, zwei Porphyrsteinen ein Korrekturpinsel.

Zuletzt nochmals ein Radial-Filter für eine künstliche Sonne am Horizont. Verdammt, der harte Ringmauerschatten links unter der Eiche passt so gar nicht zur neuen Position der Sonne. Fällt eh niemand auf? Ich müsste vom RAW-Konverter zu Photoshop wechseln. Könnte ich, aber mir passt dieser Workflow nicht, weil aufwendig, weniger flexibel für die Zukunft, Speichergröße und weil ich einfach nicht will 😉

Ich probiere mit einem Korrekturpinsel den hellen Bereich ober dem Schatten abzudunkeln. Ich reduziere die Helligkeit insgesamt, den Kontrast, stark die Lichter, weniger stark die Tiefen, stark die Spitzlichter (Weiß), füge Dunst hinzu, entferne etwas Klarheit und muss dann die Sättigung reduzieren, weil sonst ein Farbunterschied zu sehen ist. Nicht perfekt, aber passt irgendwie auch ohne Photoshop!

Und zum Schluss der Beschnitt. Ringmauer und Eiche sollen die Hauptmotive sein. Beide gleichzeitig in den goldenen Schnitt setzen. Das geht zwar technisch, die Mauer links und die Eiche rechts, aber das ist natürlich nicht der Sinn und Zweck des goldenen Schnittes. Es entsteht keine Spannung, sondern Symmetrie. Anna in der Mitte wirkt mit ihrer roten Jacke sehr stark. Es konkurrieren drei Blickfangpunkte: Mauer, Kind und Baum.

ungünstiger Beschnitt

Ursprünglich wollte ich Mauer und Eiche in herbstlicher Sonnendurchflutung zeigen. Anna sollte mittels Laufen etwas Dynamik in die Szene bringen. Das passt nicht. Beschnitt verwerfen. Neuer Beschnitt. Kind in den Goldenen Schnitt legen. Sofort entsteht eine andere Dynamik. Das Laufen des Kindes in Richtung Sonne wirkt plötzlich. Das passt. Eiche und Mauer sind zwar nicht mehr die Blickfangpunkte par excellence, das ist nun die Sonne, die nicht nur den hellsten Punkt im Bild darstellt und somit unweigerlich zum Blickfangpunkt wird, sondern auch weil die Laufdynamik in Richtung Sonne das unterstützt. Mauer und Eiche geben aber der Szene halt und Richtung, sie sind somit nicht nur Beiwerk, sondern sowas wie „indirekte Hauptmotive“. Die Mauer löst sich links im Vordergrund stark in Unschärfe auf, die Eiche umrahmt rechts das Bild, die funkelnden Blätter unterstreichen die Sonne. Ich bin mit dem Ergebnis zufrieden.

Ergebnis Ringmauer und Eiche sonnendurchflutet auf Castelfeder

Perfektes reales Foto? Nein. Die Sonne ist gefakt. Der falsche Sonnenball ist zwar gut auf die verwendete Blende abgestimmt, aber ein geübtes Auge wir anhand des Lichteinfalles auf den Blättern und vielleicht einiger Schatten merken, dass die Position nicht stimmt.

Hmm – und plötzlich – da wir schon bei „gefakt“ sind, kommen neue Ideen auf. Wie wäre es mit einer Nachtszene mit Mond, oder mit einer Schwarzweiß-Umsetzung oder mit hartem Licht oder mit einem Farbspot oder mit einem entsättigten Look oder einem anderen Beschnitt oder …

Und so können beim Sinnieren und Probieren am gleichen Foto plötzlich Stunden vergehen…

Was kostet Fotografie?

Von wegen 5 Sekunden Aufwand. Stunden, Ausbildung und alles mit eingerechnet vielleicht sogar Tage. Das Foto ist plötzlich unbezahlbar, oder?

Nein so läuft das in der modernen Fotografie nicht. Es kostet 800 Euro oder 5 Euro, oder?

Fotoportal

Du möchtest dieses spezielle Foto von mir haben? Sorry geht nicht. Weil es sowohl für dich als auch für mich zu teuer ist, auch wenn ich es dir zum Nulltarif schenke. Du musst mit mir kommunizieren, ich muss mit dir kommunizieren, dir das Bild senden, über Lizenz sprechen usw. Das macht schnell bedeutend mehr als 5 € aus. Aber um 5 € kannst du ein Top-Bild von einem Stock-Fotoportal kaufen. Darum mache dir selbst und auch mir einen Gefallen und hole dir dort ein Foto.

Auftragsfotografie

Du findest das von dir gewünschte Foto nicht. Dann versuche es mit Auftragsfotografie. Der Fotograf wird dir dann nicht die Fotos in Rechnung stellen, sondern seine Dienstleistung, meist in Form von Halbtages- oder Tagessätzen, in denen sein gesamter Aufwand (nicht nur die Fotografiezeit, nicht nur Bildbearbeitungszeit!) oder das was er verdienen möchte (rechnet jeder Fotograf anders) eingerechnet ist. Er wird dafür vielleicht nur wenige Euros oder vielleicht sehr viele Euro nehmen. Du wirst solche und solche Fotografen finden. Er wird dir vielleicht nur 5 Fotos oder vielleicht 100 Fotos geben. Er wird dir vielleicht Fotos geben, die dir persönlich nicht gefallen oder er wird dir Fotos überreichen, die dir sehr gut gefallen, egal du wirst seinen Tarif zahlen, ganz gleich wie viel Fotos, ob sie dir gefallen usw.. Du zahlst nicht für die Fotos, sondern für seine Dienstleistung. Da es um Fotos geht musst du mit ihm ausmachen, welche Rechte du an den Fotos bekommst. Es gibt die verschiedensten Lizenzen, aber das ist ein anderes Thema.

Spezielles Foto kaufen

Auf den Fotoportalen kein gewünschtes Foto gefunden? Auftragsfotografie kommt für dich nicht in Frage? Ok, dann kannst du versuchen eines im Web zu recherchieren und dann den Fotografen fragen. Wisse aber, dafür wirst du deine Zeit investieren müssen! Wisse auch, du wirst nicht ein Foto kaufen, sondern eine Lizenz. Du wirst dabei alles Mögliche erleben können. Sofern der Fotograf nicht für dich kostenlos arbeiten möchte wirst du zumindest den Zeitaufwand der Kommunikation, der Übermittlung, der Fakturierung usw. bezahlen oder aber wenn der Fotograf davon leben möchte oder wenn der Fotograf seines bekannten Namens wegen, sich das Foto bezahlen lassen kann, wirst du mehr oder weniger Euros dafür bezahlen. Du wirst Fotografen finden die 0 Euro bis Tausende Euros verlangen (es soll Fotografen geben, die sich so viel zahlen lassen können).

Zusammengefasst:

Fotografie ist viel Aufwand, vor allem in Ausbildung und Wissensaneignung. Als Kunde hast du folgende Möglichkeiten:

Gehe in dieser Reihenfolge vor:

  1. Du kannst an sehr günstige, aber trotzdem sehr hochwertige Fotos kommen, indem du sie auf Fotoportalen (Adobe Stock, Shutterstock, Gratis Bilder bei Pixabay) kaufst. Das ist günstiger als Punkt 3, vor allem, weil du auch deinen Zeitaufwand der Recherche, der Kommunikation rechnen musst!
  2. Wenn du kein geeignetes Foto in einem Fotoportal findest, dann überlege dir Fotografie in Auftrag zu geben und zahle für den Auftrag.
  3. Wenn sowohl die Punkte 1. und 2. nicht möglich sind dann musst du suchen und finden und dann versuchen den Fotografen ausfindig zu machen (nicht den Inhaber der Website, den Fotografen!) und den zu fragen. Sei aber nicht beleidigt, wenn er dir nicht antwortet! Wisse, wenn er dir das Foto zum Nulltarif oder für wenig Geld gibt, du zwar ein Schnäppchen gemacht hast, ihn aber bzgl. Aufwand ausgebeutet hast. Bedenke auch, dass es sein kann, dass er einen Preis verlangt, denn du nicht zahlen möchtest, da es nicht um ein Foto geht, sondern darum, dass er von seiner Arbeit entweder normal oder vielleicht sogar sehr gut leben können möchte.